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GAZPROM – Konfrontation oder Kooperation ?
Erdgas-Monopoly. Teil eins.
(Redeskript INFO-Veranstaltung 28. 11. 2007)
von Peter Berz, nach
Udo Leuschner (Energiechronik : www.udo-leuschner.de ) und
Helmut Hoege („Gaskonferenz“, auf : www.opalsonicht.de/ )
(Die kursiven Nummern im Text beziehen sich auf die Zählung von Udo Leuschners Energiechronik www.udo-leuschner.de: die ersten zwei Zahlen nennen das Jahr, die zweiten den Monat, die dritten den Tag der Chronik.)
A. Der Hintergrund
(0102)
Der Markt für Erdgas in Deutschland und Europa ist eine recht junge Angelegenheit. Und er ist von Anfang an eine Ost/West-Geschichte. Denn alles Gas für Europa kommt im Wesentlichen aus drei Regionen: aus Norwegen, aus Algerien oder aus Rußland.
Im Westen ist Erdgas praktisch ein Monopol der 1926 aus einem Kohlen-Syndikat hervorgegangenen Ruhrgas AG, mit der bekannten E.ON als Gasfirma und Elektro-Tochter. Die Ölfelder der Ruhrgas liegen zum großen Teil in Norwegen.
Im Osten schließen westliche Firmen Anfang 1970, also während des noch kalten Kriegs, mit der Sowjetunion den sogenannten „Erdgas-Röhren-Vertrag“ ab. Mannesmann liefert 1,2 Millionen Tonnen Großrohre an die UdSSR und im Gegenzug liefert die UdSSR ab 1978 drei Milliarden Kubikmeter Erdgas in die Bundesrepublik (nach Emma Pörzgen, Gasprom. Die Macht aus der Pipeline, Hamburg 2008, S. 66 f.). Ende der 70er Jahre verhängt der Westen aus politischen Gründen ein Röhrenembargo. Mannesmann stoppt die Lieferung von Gasröhren nach Rußland. Der Ostblock ergreift eine Gegenmaßnahme: Jedes Durchleitungsland von der Halbinsel Yamal bis Osteuropa soll ein eigenes Stück der Trasse bauen, mit allem, was dazu gehört, von der Röhre bis zur Verdichterturbine. Das Projekt heißt „Trasse der Freundschaft“, das „Zentrale Jugendprojekt Erdgastrasse“. Viele Bewohner der DDR haben in ihrer Jugend daran mitgebaut.
Die Trasse der Freundschaft ist kaum fertig, da fällt die Mauer.
Was geschieht nach dem Mauerfall?
Die BASF aus Ludwigshafen steigt in den Erdgas-Markt ein. Die BASF (Badische Anilin- und Soda-Fabriken) ist ein Chemie- und Medikamentenriese aus Ludwigshafen, der selbst viel Energie also Gas braucht. BASF, das heißt:
ab 1969 auch Winters-Hall; das heißt:
ab 1990 WIEH (Wintershall Erdgas Handelshaus) GmbH und das heißt,
ab 1993 Wingas.
( „Wintershall“ wird
1894 gegründet. „Winter“ ist Name des Gründers. „Hall“ das Wort für Salzbergwerk.Ursprünglich investiert Wintershall in Kalibergwerke.
1969 wird Wintershall 100%ige BASF-Tochter.
Seit 1990 Einstieg in Gasmarkt, in Konkurrenz zu Ruhrgas.
Ruhrgas das heißt: Shell das ist ESSO das ist EXXON und die Philosophie: Rußland soll ein billiger Rohstofflieferant, eine Art Dritte-Welt-Land, bleiben.)
BASF/Wintershalls Trumpf auf dem für sie neuen Gasmarkt ist, dass sie ganz auf russisches Erdgas setzen. Sie haben Verträge mit der russischen Gazprom, der zunächst etwa 30% der Wingas gehören.
Sie beginnen, Leitungen zu bauen von der tschechischen Grenze durch Sachsen und Thüringen nach Hessen. Und zwar parallel zu Leitungen der Ruhrgas.
Denn die Ruhrgas hat einen großen Anteil an der Leipziger Verbundnetzgas AG, VNG. Der VNG gehören sämtliche Gasleitungen in Ostdeutschland und zwar aufgrund bekannter, rabiater Praktiken der Treuhand.
1993/94 dann bricht der sogenannte „dritte Gaskrieg“ aus, der ostdeutsche Gaskrieg: BASF/Wintershall verlangt von der VNG plötzlich einen sehr hohen Gaspreis – Wintershall und Gazprom drohen mit Lieferstopp, Kürzung von Gaslieferungen, Versorgungsengpässe drohen.
Um den Gasmarkt in den neuen Bundesländern streiten sich jetzt also zwei: Ruhrgas und die BASF-Firmen.
Alles das dauert nur eine bestimmte, genau abgezirkelte Zeit lang. Bald entpuppt sich der Streit als Schein. Denn der Gasmarkt ist faktisch ein Doppelmonopol. Eine Art Duopol.
(030207)
1994 endet der dritte Gaskrieg mit einem Demarkations-Vertrag zwischen Ruhrgas und Wintershall. Wingas garantiert Versorgungs-Sicherheit und VNG garantiert Abnahmesicherheit.
Das Kartellamt ist 1994 gegen diesen Vertrag: auch weil die sogenannte STEGAL parallel zu den Ruhgas/VNG-Leitungen verlaufe. STEGAL, das heißt: Sachsen-Thüringen-ErdGas-Anbindungs-Leitung.
2003 dann gibt das Kartellamt sein erwartetes Einverständnis zum Demarkations-Vertrag.
Was geschieht aber zwischen 1994 und 2003?
Zum Beispiel: es wird von Dezember 1996 bis November 1999 hier durch Groß Köris die JAGAL gebaut (Jamal-Gas-AnbindungsLeitung). Sie verbindet YAMAL – JAGAL und die alte STEGAL der BASF.
(030716)
Der Streit aber zwischen BASF/Wintershall und Ruhrgas ist schon darum bloßer Schein, weil Ruhrgas und BASF beide auf ihre Weise mit der Gazprom zusammenarbeiten.
2003 tätigt Wintershall die nach Beginn der Perestroika größte Investition eines deutschen Unternehmens in Rußland: in das Urengoj Gasfeld. (Jüngst: FAZ vom 4. Dez. 2007, S. 22: „Hitze aus dem Eis der Tundra. Das Erdgas hat das junge Novij Urengoj zu einer der reichsten Städte Russlands gemacht, von Michaela Seiser“.)
(040808)
Dagegen agiert im August 2004 E.ON Ruhrgas (die nach wie vor hauptsächlich auf norwegisches Gas setzt): es möchte seine Anteile an Gazprom, die ihm einen Aufsichtsrats-Sitz sichern, erhöhen und über 6,5 % Anteile an Gazprom hinausgehen.
Gleichzeitig ist man bei BASF/Wintershall aktiv: Wingas möchte russisches Erdgas in Deutschland vermarkten und auch verteilen.
(050211)
Kurzum: Die schüchternen Versuche seit 1998, den Gasmarkt zu liberalisieren, scheitern für erste am Duopol der beiden Giganten.
Das Kartellamt kämpft dagegen auf verschiedenen Fronten, etwa gegen langfristige Lieferverträge, die, so die Kartellbehörde, den deutschen Gasmarkt vom Weltmarkt abschotten würden.
(050404)
Im April 2005 schließt die BASF mit Gazprom einen Vertrag über eine neue, strategische Pipeline ab: die bekannte „Ostsee-Pipeline“, auch „Nord Stream“ genannt. Und die BASF verhandelt über eine Beteiligung an dem Gasfeld Južnoe Russkoe auf der Halbinsel Yamal.
Gazprom spielt jetzt geschickt Ruhrgas und BASF gegeneinander aus. Denn Ruhrgas schiebt allen Versuchen der Gazprom, eine Beteiligung zu erwerben, einen Riegel vor.
Also, zusammenfassend:
Die Verbindung Gazprom – BASF existiert seit 1990, mit seit 1993 Wingas.
Stand der Dinge im April 2005:
● Gazprom gehören 49% der Wingas
● Wingas gehören 49% des Gasfelds Južnoe Russkoe
49% der Ostsee-Pipeline
● Ruhrgas gehören 6,5 % bei Gazprom, samt Aufsichtsrats-Sitz
● Ruhrgas möchte 25% am Gasfeld Južnoe Russkoe erwerben
(auch RWE wollen mit Gazprom zusammenarbeiten)
Was das Gasleitungsnetz in Europa betrifft, gehören
● der Wingas 1.990 km Ferngasnetz
● der Ruhrgas 10.750 km Ferngasnetz
(050902)
E.ON und BASF aber sind beide gleichermaßen Teilnehmer an dem Projekt einer Ostseepipeline.
Am 8. September 2005 wird unter Anwesenheit von Gerhard Schröder und Vladimir Putin mit Gazprom ein Vertrag über den Bau der Pipeline unterzeichnet. Die Beteiligungsstruktur ist wie folgt:
● Gazprom 51 %,
● BASF 24,5 % und
● E.ON 24,5 %
Die Ostseepipeline soll bis 2010 fertig sein, 27,5 Milliarden m³ Gas pro Jahr transportieren, später nocheinmal 27,5 Milliarden über einen zweiten Strang, macht zusammen 55 Milliarden m³, bei einer Gesamtinvestition 4 Milliarden Euro.
Ende 2005 schließen BASF und Ruhrgas in Fortsetzung des Demarkations-Vertrags ein Memorandum of Understanding ab.
Der politische Grund für die Ostseepipeline ist sehr weitreichend. Die neue Pipeline auf dem Meeresgrund ist für die Russen ein politisches Faustpfand, um frei und nicht erpressbar – aufgrund von Durchleitungsrechten der betreffenden Staaten – gegenüber der Ukraine, Polen, Weißrußland agieren zu können. Die Pipeline ist ein Ansatzpunkt, um eine Art Gasknute in jeder weltpolitischen Lage gegen ganz Osteuropa einsetzen zu können – und damit eben auch einen Teil Europas. Mit anderen Worten: Durch die Ostseepipeline befindet sich Europa in einer doppelten Abhängigkeit: erstens direkt vom Gas und zweitens indirekt von Rußlands politischem Agieren in Osteuropa.
( Diese strategische Perspektive für die nächste Zukunft wäre, nota bene, der politischen Richtung einer „Trasse der Freundschaft“, des „Zentralen Jugendprojekts Erdgastrasse“, genau entgegengesetzt. Damals nämlich wurden die osteuropäischen Länder inklusive der DDR durch Zwang zur Kooperation vereinigt, unter der Losung: Alle bauen an einer Trasse. )
(051203)
Seit Anfang 2005 aber möchte Gazprom in großem Stil in den deutschen Markt einsteigen:
● möchte mehr als 5% an der VNG erwerben und
● möchte an der gesamten Wertschöpfung mit dem Gas verdienen.
Eine interessante Rechnung stellt den Vergleich auf:
für die Förderung in Rußland sind 20 Einheiten Gewinn einzustreichen;
für den Endverbrauch in Deutschland 300 bis 500 Einheiten.
Oder:
die Förderung von 100 m³ Erdgas kostet 13 Dollar,
der Verkauf derselben Menge im Westen bringt 250 Dollar ein (vgl. FAZ 4. Dez. 2007, S. 22).
Das sind Gewinnspannen, die, kurz gesagt, nur noch vom Drogenhandel übertroffen werden.
Ein kurzes Wort zu den Töchtern, heißt: Beteiligungs-Strukturen der Gazprom in Deutschland.
Gazproms deutscher Arm ist zu 100% ZZB und 100% ZMB
ZZB:
35% Wingas
50 % WIEH
5,26 VNG
ZMB besitzen Schweizerische, Österreichische, usw. Ableger, agieren
also in ganz Europa.
(060403)
Im April 2006 nun wird ein Vertrag zwischen BASF und Gazprom abgeschlossen, im Beisein, diesmal, von Angela Merkel und Vladimir Putin:
● Beteiligung der BASF an dem begehrten Gasfeld Iužnoe Russkoe und
● Einstieg von Gazprom in den deutschen Markt und
● Gründung einer Europäischen Handelstochter, die zu 50% BASF und zu 50% Gazprom gehört
Somit gehören jetzt der
● Wingas
35% des Gasfelds Iužnoe Russkoe und
25 % (minus 1 Aktie) des russischen Gasgiganten Severneftegaz.
Umgekehrt gehören der
● Gazprom 50% an Wingas
Das große Ziel ist nach wie vor, auf die „Gesamte Wertschöpfungskette“ zugreifen zu können. Aus diesem Grund beginnt man etwa auch, etliche Stadtwerke in Deutschland zu kaufen.
(060405)
Im April 2006 kommt es zu einer Auseinandersetzung um das geplante Kraftwerk Lubmin bei Greifswald, genau an dem Ort also, wo die Ostseepipeline am europäischen Festland ankommt.
Das geplante Gaskraftwerk ist im Besitz einer Hamburger Firma Concord Power (Saalfeld Holding).
Gazprom möchte in das Kraftwerksprojekt und die Concord einsteigen, aber offenbar vergeblich. Über Einzelheiten, so Energie-Chronist Udo Leuschner: „striktes Stillschweigen“.
(060404)
2006 jedoch zeichnen sich „atmosphärische Störungen“ im Europageschäft der Gazprom ab: die EU Staaten beschränken die Aktivitäten der Gazprom auf dem europäischen Markt. Der Anlaß ist, daß Gazprom den britischen Gasverteiler Centrica aufkaufen möchte. Die Engländer machen dagegen ein eigenes, neues Gesetz.
In dieser Situation findet schließlich die bekannte, durch die Presse gegangene Szene statt. Alexej Miller, der Aufsichtsratsvorsitzende von Gazprom, im O-Ton:
„Zweifellos garantieren wir mit unseren immensen Ressourcen die Belieferung des wachsenden Gasbedarfs in Europa. Nichts desto weniger darf man nicht vergessen, dass wir aktiv neue Märkte entwickeln, in Nordamerika und China. Und Gas-Hersteller in Zentralasien richten ebenfalls ihre Aufmerksamkeit auf den chinesischen Markt. Nicht zufällig. It is not by accident. Denn der Wettbewerb um die Energieressourcen nimmt zu. Man sollte nicht übersehen, dass Versuche, die Aktivität Gazproms auf dem Europäischen Markt zu begrenzen und die Voraussetzungen der Gasversorgung zu politisieren, die faktisch einzig und allein ökonomischer Natur sind, zu keinem guten Ende führen, will make no good results.“
( 060506: Im Mai 2006 verklagt obendrein noch die amerikanische Firma Moncrief Oil International die Gazprom auf einige Milliarden. Wintershall hätte Gazprom dazu überredet, schon bestehende Versprechen an Moncrief über Beiteiligungen an Iužnoe Russkoe zu brechen, usw. – Kurzum: Es gibt ein hartes Rennen westlicher Firmen um das Gasfeld Iužnoe Russkoe: E.ON und Wintershall und Montcrief. Wintershall alias Wingas macht schließlich das Rennen.)
(070901)
Vor kurzem jedoch, das heißt vor zwei Monaten, im September 2007 erhebt sich eine viel fundamentalere atmosphärische Störung: am 19. September dieses Jahres macht die EU-Kommission fünf Gesetzesvorschläge.
Und damit wären wir mitten im Thema OPAL.
Die Gesetze haben die Entflechtung der Transportnetze zum Gegenstand, das ist: die Unabhängigkeit des Netzbetriebs von anderen Geschäftsbereichen.
„Den Vorschlägen zufolge dürfen Strom- und Gasnetzbetreiber künftig nicht mehr zu Konzernen gehören, die auch in der Energieversorgung und -erzeugung tätig sind.“ (Leuschner Energiechronik: 070901)
Und das soll künftig auch für Unternehmen aus Drittstaaten, also etwa die russische Gazprom gelten.
Europäische Regulierungsbehörden werden in dieser Richtung aktiv. Deutschland und Frankreich wehren sich dagegen.
Die EU Kommission hat folgende Zielvorgaben entworfen: Unabhängige Netzbetreiber müssen die Netze betreiben. Der Netzbetreiber muss vom Staat benannt werden und von der EU-Kommission gebilligt. Er darf nicht an einem Versorgungsunternehmen beteiligt sein. Er muss einen zehnjährigen Investitionsplan aufstellen.
Außerdem sollen die Nationalen Regulierungsbehörden in Zukunft ganz unabhängig von ihren Regierungen arbeiten. In Deutschland also: die Bundesnetzagentur unabhängig von der jeweiligen Regierung.
Außerdem ist eine Verpflichtung zur Abwicklung grenzüberschreitender Energielieferungen vorzusehen.
Alles das findet bei Politikern wie Sigmar Gabriel von der SPD Zustimmung und wird von Politikern wie Michael Glos von der CSU abgelehnt. Kurth selbst, der Chef der Bundesnetzagentur, ist ein SPD-Mann.
B. Der Vordergrund
Wo steht nun in diesem ganzen Zusammenhang das Großprojekt der Wingas mit dem Namen OPAL: Ostsee-Pipeline-AnbindungsLeitung, Anbindung nämlich des in Greifswald/Lubmin anlandenden Gases an den europäischen Gasmarkt?
Schon auf den ersten Blick fällt in die Augen: Das ist genau der von der EU-Kommission gerügte Fall einer eigentumsmäßigen Einheit von Netzbetreiber und Gas-Lieferant. Wingas/Gazprom sind Eigentümer von Gasfeldern und wären im Falle OPAL Eigentümer wichtiger Teile des Gasnetzes.
Und es ist tendenziell der Versuch, das Gasnetz Deutschlands in einer einzigen Hand zu versammeln und das heißt, da Deutschland die (wie es im Jargon heißt) „Gas-Drehscheibe Europas“ ist*, Gasnetze in ganz Europa. Die europäischen Wingas-Töchter ZMB bereiten das schon vor.
* ( Es darf wohl als eine Art Ironie der Weltgeschichte durchgehen, dass jene „Mittellage“, an der die Deutschen seit dem 19. Jahrhundert herumlaborieren, um ihre Zweifronten- und Weltkriege über die Welt zu bringen, plötzlich zur „Drehscheibe“ werden will. )
Für dieses Ziel der Wingas alias Gazprom, die Gasnetze Europas zu beherrschen, gibt es konkrete Anhaltspunkte. Man kann sie sämtlich in jenem anderen Netz, dem Inter-Net, recherchieren. In unserem offenen Brief an Raumordnungsminister von Brandenburg, Reinhold Dellmann, zu lesen auf www.opalsonicht.de , haben wir die Zusammenhänge so darzustellen versucht:
1. Man darf die Leitung durch Groß Köris, durch den Süden Brandenburgs und durch ganz Brandenburg nicht isoliert betrachten. Die ganze Leitung von Greifswald bis zur tschechischen Grenze steht auf dem Spiel.
2. Auf dem Nordabschnitt durch Mecklenburg-Vorpommern etwa gibt es bereits eine genehmigte Leitung. Sie heißt NORDAL. In einem langen Verfahren hat sich die schon erwähnte Firma Concord Power diese Leitung genehmigen lassen.
Das passt nun überhaupt nicht zu den Plänen der Wingas/Gazprom. Denn sie wollen sozusagen „eigenes Eigentum“ an der Leitung haben. Also projektieren sie eine zweite Leitung, genau parallel zu der schon genehmigten.
Warum streben Wingas/Gazprom eine eigene Leitung an? Weil mit einer eigenen Leitung:
a) keine kleinen Anbieter im Spiel sind,
b) keine Gefahr von E.ON-Beteiligungen besteht, usw. und
c) auch der Zugriff aufs Gaskraftwerk Lubmin daran hängt, an dem sich Wingas/Gazprom schon einmal beteiligen wollten.
3. Welchen Weg nimmt nun die NORDAL?
Wie aus der Karte zu ersehen ist, kommt die Leitung an einem ganz anderen Punkt in Brandenburg an als die geplante OPAL. Sie kommt in Börnicke, nicht weit entfernt von Kienbaum an. Auch dort treffen, wie in Groß Köris, drei andere Leitungen zusammen.
Wir stehen also vor einer Situation, die ganz anders ist als das, was Wingas behauptet: dass angeblich Groß Köris der einzige wirklich geeignete Punkt für einen „Gasknotenpunkt“ sei, ein „Zwangspunkt“, motiviert aus dem Bündelungseffekt mit zwei anderen Leitungen (ONTRAS, JAGAL), weil Groß Köris die genaue Mitte der Strecke zwischen Greifswald und tschechischer Grenze sei (was offensichtlich falsch ist), weil die Besiedlung dünn und der Raumwiderstand gering sei.
Dagegen wäre zu sagen: Nein, auch in Kienbaum kommen, vor allem, wenn man die NORDAL dazu nimmt, mehrere Leitungen zusammen und Kienbaum ist etwa die Mitte der Strecke zwischen Greifswald und tschechischer Grenze; abgesehen davon ist Besiedlung um Groß Köris nicht vernachlässigbar und der Raumwiderstand eines Naturparks („Dahme Heideseen“) sehr hoch.
4. Auch mit der NORDAL (und der direkt von Greifswald nach Westen und Norddeutschland führenden Leitung NEL) könnte man das durch die Ostsee anlandende Gas ableiten. Man könnte etwa auch von Börnicke oder Kienbaum zusätzlich in den Westen, über die NETRA – : Wenn es denn nur um den Westen ginge.
5. Denn man will mehr. Man will den ganzen Süden und Südosten Europas mit erreichen. Darum muss die Leitung an die tschechische Grenze heranführen, irgendwann durch Tschechien hindurch und südlich in Bayern an die SEL anschließen und sich zu einem kompletten Doppelringverbund zusammenschließen. Nun ist aber ganz unklar, ob es jenseits der tschechischen Grenze überhaupt schon eine geeignete Anschluß-Leitung gibt. Unseres Wissens gibt es keine von dieser Dimension (1.40 Meter Durchmesser). Nur eine alte Leitung von Ende der 80er Jahre existiert. Das heißt: Die Anschlußleitung an der tschechischen Grenze bei Olbernhau ist völlig ungesichert.
6. Die Gesamt-Vision aber des Projekts OPAL der Wingas/Gazprom ließe sich ungefähr so umschreiben: Man will ein stählernes Rückgrat der gesamten europäischen Gasversorgung in Händen halten und als Eigentum von BASF/Wintershall/Wingas/Gazprom durch Brandenburg laufen lassen.
Am Schluß stünde dann ein Ring von Erdgasfernleitungen um ganz Deutschland herum. Von ihm aus liesse sich das russische Erdgas in ganz Europa verteilen.
Das alles aber ist, wie skizziert, bislang wettbewerbsrechtlich weder von der EU-Kommission noch von der deutschen Bundesnetzagentur genehmigt.
Mit schlichteren Worten: Die politischen Grund- und Rahmenbedingungen des Projekts OPAL sind, gelinde gesagt, wacklig.